Schloss Mentin, Sitz unseres Künstlerhauses, blickt auf eine lange und vielfältige Geschichte zurück. Nachfolgend findet sich ein historischer Überblick – von den Anfängen bis in die Gegenwart. Er wurde aus verfügbaren, historischen Quellen sowie einer Sammlung persönlicher Berichte ehemaliger Bewohner*innen der Schloss Mentin Liegenschaftzusammengestellt, die wir seit 2022 gesammelt haben.
Fotografie des Ritterhauses Mentin im Jahr 1912 © Privatsammlung.
Frühe Anfänge & Die Von-Kopplow-Ära (1338 - 1750)
Das Dorf Mentin wurde erstmals 1338 urkundlich erwähnt; der Name leitet sich vom altslawischen Wort mątŭ ab. Einige Deutungen bringen es mit „Gedanke“ oder „Geist“ in Verbindung und deuten auf einen Ort der Kontemplation oder des Rückzugs hin, andere assoziieren es mit „trübem Wasser“ – möglicherweise in Bezug auf eine nahegelegene Quelle. Unabhängig von der genauen Bedeutung, spiegelt der Name Mentins eine tiefe Verbundenheit mit der Natur wider – ein Merkmal, das die Identität des Ortes bis heute prägt.
Im 16. Jahrhundert entwickelte sich Mentin zu einem strukturierten, feudalen Gut unter der Familie von Kopplow, die neben Mentin auch mehrere Nachbardörfer verwaltete, darunter Griebow, Meierstorf, Ruhn, Möllenbeck, Repzin und Malow.
Zwischen 1542 und 1750 formte die Familie von Kopplow das Gut zu einem Zentrum des Handwerks. Um 1720 richteten sie eine Glashütte in den Nebengebäuden ein, 1750 folgte eine Brennerei. Unter ihrer Leitung wurde Mentin sowohl zum Symbol adeliger Macht, als auch zu einem wichtigen wirtschaftlichen Akteur in der Region. Doch ab Mitte des 18. Jahrhunderts führten veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen und zunehmende Konkurrenz zu einem Rückgang der Rentabilität und ebneten damit den Weg für künftige Eigentümerwechsel.
"Alchemistenlabor“ von Matthäus Merian, eine Darstellung handwerklicher Glaskunst und Destillation im 17. Jahrhundert. Gemeinfrei.
Ritterhaus & Eigentümerwechsel (1750 - 1912)
Mitte des 18. Jahrhunderts, als wohlhabende Bürgerliche begannen Güter vom Adel zu übernehmen, wechselte Mentin den Besitzer. Ein entscheidender Moment dieses Wandels war der Bau von Schloss Mentin auf den Fundamenten des ehemaligen Ritterhauses.
1801 erwarb Rittmeister Gottfried von Zieten Mentin und Griebow, verkaufte sie jedoch bereits ein Jahr später an Joachim Hermann F. Franke, einen Beamten aus Mecklenburg-Schwerin. Finanzielle Schwierigkeiten zwangen Franke 1808 zum Verkauf an Franz Baron von Roll, der 1816 in den Bankrott ging. Stabilität kehrte unter Ludwig von Klitzing (1816 - 1847) zurück, einem Ritterschaftsrat, der den landwirtschaftlichen Ausbau vorantrieb und die Brennerei des Guts weiterführte.
1847 erweiterten die Brüder Bade Industrie und Landwirtschaft durch den Bau einer Ziegelei, einer Spiritusbrennerei und einer Schmiede. 1882 modernisierte Rittmeister Hermann von Pressentin den Betrieb, gefolgt von Hans Ludwig Hartmann im Jahr 1905, der die regionale Marktanbindung des Guts stärkte.
Ein bedeutender Wandel vollzog sich 1908 mit dem Erwerb von Mentin durch den Industriellen Alexander Boek, was den Übergang vom adligen zum industriellen Besitz markierte. Obwohl Boek gelegentlich als Bauherr von Schloss Mentin genannt wird, war er in erster Linie ein Zwischeneigentümer. Das Ritterhaus blieb bis dahin das Verwaltungs- und Wohnzentrum des Anwesens.
1912 verkaufte Boek das Gut an Artur von Poensgen und leitete damit das nächste Kapitel ein.
Schloss Mentin, 1920 © Gemeinfrei
Transformation & Frühes 20. Jahrhundert (1912 - 1939)
Im Jahr 1912 beauftragte der Industrielle Artur von Poensgen den deutschen Architekten Paul Korff mit dem Umbau des Ritterhauses in ein neobarockes Schloss, ganz im Stil der damaligen Architekturströmungen des frühen 20. Jahrhunderts. Das Projekt, das eine Million Goldmark kostete, symbolisierte den Wandel von aristokratischem zu industriellem Reichtum als Ausdruck gesellschaftlichen Prestiges.
Obwohl Poensgen aus einer bedeutenden Industriellenfamilie stammte, war der Erwerb von Schloss Mentin ein eigenständiges Vorhaben, seinem persönlichen Interesse an Immobilien und Architektur geschuldet. Im selben Jahr finanzierte er den Bau eines Damms sowie einer mit Kastanien gesäumten Allee, die Mentin mit Suckow verband und die umliegende Landschaft neu gestaltete.
Bereits 1914, nur zwei Jahre nach dem Umbau, verkaufte Poensgen Schloss Mentin an die Brüder Willenburg, die es kurz darauf an den Bankdirektor Keup unter amerikanischer Treuhandschaft weiterveräußerten. 1916 ging das Anwesen in den Besitz der Familie Neuerburg über, einer einflussreichen Größe der deutschen Tabakindustrie. Das Gut diente fortan als repräsentativer Sommersitz. Das Familienunternehmen Haus Neuerburg fusionierte 1937 unter dem NS-Regime mit Reemtsma, was Reemtsmas Vormachtstellung im Tabakmarkt weiter festigte. Im selben Jahr verzeichnete das Gut Mentin-Griebow 195 Einwohner, 722 Hektar Land, eine Schule, elf Erbhöfe, vier Siedlerstellen und eine Brennerei.
1939 führten wirtschaftlicher Druck und die geringe Nutzung dazu, dass die Familie Neuerburg Schloss Mentin an das Land Mecklenburg verpachtete. Finanzielle Schwierigkeiten und die zunehmende Kontrolle des NS-Staates über Grundbesitz beschleunigten den Wandel vom privaten Adelsgut hin zu staatlich verwalteten Liegenschaften.
Zweiter Weltkrieg (1939 - 1945)
Während des Zweiten Weltkriegs wurde Schloss Mentin vom Land Mecklenburg als Entbindungsheim genutzt – Teil einer umfassenderen Maßnahme, ländliche Gutshäuser in medizinische Einrichtungen umzuwandeln, da die urbane Infrastruktur unter dem Druck des Krieges zunehmend überlastet war. Während einige Entbindungsheime im nationalsozialistischen Deutschland mit dem Lebensborn-Programm in Verbindung standen, gibt es keine Hinweise darauf, dass Schloss Mentin daran beteiligt war. Vielmehr scheint es als allgemeines Entbindungsheim gedient zu haben, das Mütter und Neugeborene versorgte.
Gleichzeitig wurden die umliegenden Dörfer Zeugen der Gräueltaten des Todesmarsches von Sachsenhausen. Im April 1945 wurden über 33.000 Häftlinge des Konzentrationslagers Sachsenhausen bei Berlin unter grausamsten Bedingungen in Richtung Nordwesten getrieben. Viele starben an Erschöpfung, Hunger oder durch Erschießung, bevor sowjetische und amerikanische Truppen die Überlebenden befreiten.
Schloss Mentin in den 1960er-Jahren © Thorsten Ebert
Kinderheim (1946–1996)
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Schloss Mentin als staatliches Kinderheim betrieben. Im Gegensatz zu vielen Kinderheimen in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wird es von zahlreichen ehemaligen Bewohner*innen als ein Ort von Fürsorge und Unterstützung erinnert. Einige besuchen es noch heute und berichten von starken Freundschaften und engagierten Erzieherinnen, die ihnen Stabilität vermittelten.
Die Kinder stammten aus unterschiedlichen Lebensverhältnissen, einige waren Waisen, andere wurden aufgrund von Notlagen oder politischer Verfolgung aus ihren Familien genommen. Trotz dieser Herausforderungen fanden viele im Kinderheim Gemeinschaft und Zugehörigkeit.
In dieser Zeit wurden die Innenräume von Schloss Mentin an das gemeinschaftliche Leben angepasst: Aus Schlafzimmern wurden Schlafsäle, Empfangsräume wurden zu Speisesälen umfunktioniert und ehemalige Salons dienten als Lern- und Freizeiträume. Nebengebäude, wie die Brennerei und die Scheunen, wurden in Ausbildungsstätten umgewandelt, wo ältere Kinder handwerkliche Fähigkeiten wie Tischlerei, Mechanik und Landwirtschaft erlernten. Kompetenzen, die für ihren späteren Lebensweg entscheidend waren.
1978 dokumentierte die Filmemacherin Angelika Andrees das Leben auf Schloss Mentin in ihrem Film Heim (Kinderheim). Die ungeschönte Darstellung des Alltags und zwischenmenschlicher Beziehungen führte zur Zensur bis 1990, da sie nicht mit dem offiziellen DDR-Narrativ übereinstimmte.
In den 1980er-Jahren wirkten sich wirtschaftliche Veränderungen in der DDR zunehmend auf den Alltag im Kinderheim aus. Mit dem Bau der Autobahn A24 wurden Handelsrouten unterbrochen, was zu Versorgungsengpässen führte. Das Personal war oft gezwungen, mit lokalen Betrieben Lebensmittel und Materialien zu tauschen.
Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 führten Reformen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe zur Schließung vieler ehemaliger DDR-Einrichtungen. Das Kinderheim Schloss Mentin stellte 1996 seinen Betrieb ein.
Renovierung & Kommerzialisierungsversuche (1996 - 2021)
Nach der Schließung des Kinderheims stand das Anwesen vor einer ungewissen Zukunft, geprägt von den wirtschaftlichen und sozialen Umbrüchen im wiedervereinigten Deutschland. Mit dem Zusammenbruch der staatlichen Landwirtschaft und dem Wegfall staatlicher Subventionen stieg die Arbeitslosigkeit in der Region stark an. Viele institutionelle Liegenschaften gerieten ins Abseits. Während sich einige ehemalige Heimkinder erfolgreich in die Gesellschaft integrieren konnten, zeigen Regierungsberichte, dass 22 % innerhalb von sechs Monaten obdachlos wurden.
Im selben Jahr erwarb ein privater Investor Schloss Mentin mit dem Ziel, es in ein Hotel mit angeschlossenem Oldtimermuseum umzuwandeln. Trotz erster Sanierungsarbeiten führten finanzielle Verluste und Konflikte mit dem Denkmalschutz – insbesondere im Hinblick auf geplante Abrisse für Parkflächen – zum Baustopp. Eine kurzzeitige Museumseröffnung blieb ohne Resonanz und wurde 2003 wieder eingestellt. 2007 zwangen wachsende Schulden und bürokratische Hürden den Investor zur Aufgabe des Projekts. Das Anwesen stand erneut leer und wurde wieder zum Verkauf angeboten.
Fast ein Jahrzehnt später, im Jahr 2013, kaufte ein neuer Investor Schloss Mentin und begann mit umfangreichen Renovierungsarbeiten: strukturelle Instandsetzung, Modernisierung von Elektrik, Heizungs- und Wassersystemen sowie die Wiederherstellung des überwucherten Parks. Ziel war es, das kulturelle Erbe des Anwesens zu bewahren und gleichzeitig in ein Fünf-Sterne-Resort umzuwandeln.
Bis 2016 waren große Fortschritte erzielt worden, doch die Umsetzung des Hotelprojekts blieb schwierig. Marktunsicherheiten infolge der Finanzkrise von 2008 und Bedenken hinsichtlich der Nähe zur Autobahn A24 führten zu zunehmender Zurückhaltung bei Investoren und warfen Zweifel an der Realisierbarkeit eines hochklassigen Wellnessresorts auf.
Schloss Mentin im Jahr 2017 nach den Renovierungen © Schloss Mentin Verwaltungs GmbH
Künstlerhaus (2022–heute)
Während neue Pläne für das Hauptgebäude von Schloss Mentin entwickelt wurden, blieben die Nebengebäude zunächst ohne klare Nutzung. Das änderte sich Anfang 2022, als sich Something Great mit einer Vision vorstellte: die historischen Nebengebäude sollten in ein internationales Zentrum der Künste verwandelt werden – das Something Great Zentrum für zeitgenössische darstellende Künste.
Mit Unterstützung von TANZPAKT Reconnect / Neustart Kultur und in Partnerschaft mit den Eigentümern von Schloss Mentin gewann das Projekt an Dynamik. Mehrere Nebengebäude wurden für Kunst und Kultur sowie zur Unterbringung von Gastkünstler*innen umgebaut.
Seitdem hat das Künstlerhaus Künstler*innen aus aller Welt zu temporären Residenzen empfangen, Projekte unterstützt und durch öffentliche Veranstaltungen kulturellen Austausch sowie Begegnungen mit der lokalen Gemeinschaft gefördert. Diese Programme führten auch zur einmaligen Wiederöffnung des Hauptgebäudes von Schloss Mentin – ein besonderer Moment für ehemalige Bewohner*innen und Besucher*innen, von denen viele nach Jahrzehnten erstmals wieder einen Fuß in das Gebäude setzen konnten. Das Zentrum wächst weiter auf dem Gelände, denn in den kommenden Jahren sollen zusätzliche Nebengebäude renoviert und erschlossen werden.
Während die Nebengebäude dem Künstlerhaus gewidmet bleiben, änderten sich die Pläne für das Hauptgebäude, als sich potenzielle Käufer im Jahr 2023 aus privaten Gründen zurückzogen. Statt eines Verkaufs beschlossen die Eigentümer, das Gebäude in eigener Trägerschaft zur Ausbildungseinrichtung für Pflegekräfte umzuwandeln. wechselte Mentin den Besitzer. Auzubildende sollen dort intensiv auf eine Tätigkeit im deutschen Gesundheitswesen vorbereitet werden – mit besonderem Fokus auf Sprachkompetenz und praxisnaher Schulung. Die Eröffnung ist für 2026 geplant.
Dieses neue Kapitel unterstreicht die Entwicklung von Schloss Mentin – nicht nur als Ort für Kunst, Kultur und Gemeinschaft, sondern auch für Bildung. Was die Zukunft bringt, bleibt offen, aber eines ist sicher: Schloss Mentin lebt wieder und seine Geschichte ist noch lange nicht zu Ende.